Was Übersetzer mit Schiedsrichtern verbindet

Die Fußball-EM ist zu Ende. Die Fans des neuen Europameisters sind begeistert, die des “Vize” sind enttäuscht. Wie bei jedem Fußballturnier wird über umstrittene Entscheidungen der Schiedsrichter diskutiert. Die Namen der betroffenen Schiedsrichter werden ein paar Tage in den Medien genannt. Die Schiedsrichter, deren Leistung von niemandem beanstandet wird, werden maximal in der Spielstatistik erwähnt. Ähnlich ergeht es Übersetzern.

Wann haben Sie zuletzt über einen Übersetzer oder eine Übersetzung gesprochen?

  • Sie haben sich über eine schlechte Übersetzung geärgert.
  • Sie fanden lustige Übersetzungsfehler.
  • Sie haben eine besonders gelungene Übersetzung gelesen.
  • Ein Übersetzer erhielt eine Auszeichnung.

Vermutlich haben Sie die erste und/oder zweite Antwort gewählt.

Die meisten Diskussionen über Übersetzungen werden durch amüsante oder ärgerliche Fehler ausgelöst.

Der Grund dafür ist einfach:

Fällt ein Text als Übersetzung auf, dann meistens durch Unverständlichkeit oder ungewollte Komik aufgrund falscher Wortwahl oder ungewöhnlichen Satzbaus. Also wenn der Übersetzer schlecht gearbeitet hat.

Ein Beispiel:

Ein Handy meldete mir vor ein paar Jahren immer “Kein Zutritt” wenn ich die Anrufliste sehen wolle und öffnete diese auch nicht. Nach langem Rätseln hatte ich eine Vermutung und schaltete auf das englischsprachige Menü um. Dort lautete die Meldung wie erwartet “No Entry”. An einer Tür bedeutet das “Kein Zutritt”. An der Anrufliste war allerdings “Kein Eintrag” gemeint. Die Liste war leer und wurde mir deshalb nicht gezeigt. Dieser Fehler hätte leicht vermieden werden können: Der Übersetzer benötigte zusätzliche Informationen über den Kontext in dem der Ausgangstext benutzt wurde.

Auch Bedienungsanleitungen und Hinweisschilder oder Speisekarten in Ferienorten sind wahre Fundgruben für derartige Stilblüten. Viele Internetseiten widmen sich der Auflistung von Beispielen.

In solchen Fällen fragt sich der Leser welcher … mit Fachausbildung (von Laien und Maschinenübersetzungen wird an anderer Stelle die Rede sein) so etwas sinnloses präsentiert.

Eine gute Übersetzung erkennt der Leser nicht und er soll sie auch nicht erkennen. Sie ist von einem direkt in der Zielsprache verfassten Text nicht zu unterscheiden. Satzbau, Wortwahl, Stil, Aufbau folgen den Regeln der Zielsprache. Bilder und Metaphern werden passend verwendet. Der Leser merkt nicht, dass er einen übersetzten Text liest und interessiert sich deshalb auch nicht für den Übersetzer.

Gerade Fachübersetzer werden nur bemerkt, wenn sie ihre Arbeit
nicht gut machen

Solange der Leser über das Ergebnis lachen kann wird er den Fehler vielleicht tolerieren. Entsteht durch eine unverständliche Übersetzung jedoch ein Schaden sieht die Sache ganz anders aus. Da nur schlechte Übersetzungen auffallen entsteht sich in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass jeder, der mal eine Fremdsprache gelernt hat, auch übersetzen kann.

Das tut den Übersetzern Unrecht, die

  • über Jahre umfassende Kenntnisse in einer oder mehreren Fremdsprachen erarbeitet haben,
  • sich den Veränderungen ihrer Arbeitssprachen anpassen damit ihre Texten nicht antiquiert wirken,
  • bei der Wortwahl auf den Kontext achten um bei ‘Teekesselchen-Wörtern’ das richtige zu wählen,
  • sich auch in ihren Fachgebieten permanent weiterbilden um auf dem neuesten Stand zu bleiben,
  • wenn nötig ausführlich Vokabeln recherchieren,
  • lange an präzisen Formulierungen feilen,

damit als Ergebnis ein Text dasteht, dem keiner ansieht wie viel Arbeit in ihm steckt.

Und das alles machen gute Übersetzer um am Ende, wie gute Fußballschiedsrichter, unbemerkt und unerwähnt zu bleiben.

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