Über mich

Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust

(J.W.v. Goethe, Faust I, Vers 112)

Es war einmal:

Eine Abiturientin steht vor der Berufswahl. Die Prüfungsfächer Englisch, Physik (Leistungskurse), Erdkunde und Spanisch zeigen einen Schwerpunkt bei Sprachen. Der Weg scheint vorgegeben.

Fast Forward auf heute:

Die damalige Abiturientin ist seit Jahren als Übersetzerin freiberuflich tätig.

Schlussfolgerung:

Der Weg, der sich nach dem Schulabschluss abzeichnete, wurde konsequent und erfolgreich verfolgt.

Halt! Stopp! So einfach ist das Leben nicht.

Denn:

Die grundlegende Frage bei der Berufswahl lautete: Technik oder Sprache? Darauf folgte schnell: Was kann man mit einem Sprachenstudium anfangen? Meine Antwort darauf: „Nicht viel“. Das führte dazu, dass ich mich auf mein Interesse für Technik und Naturwissenschaften konzentrierte und mich an der RWTH Aachen für ein Maschinenbau-Studium einschrieb.

Eine Studienkollegin steigt nach dem ersten Semester aus und beginnt eine Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Dort wird ihr in der Einführungsveranstaltung geraten „nebenbei“ ein Ingenieurstudium zu absolvieren, da man mit Sprachen allein nichts anfangen kann.

Prima, da habe ich doch die richtige Wahl getroffen! Ich ziehe mein Maschinenbau-Studium also als „Vollzeit-Job“ durch, halte die Englischkenntnisse mit Lektüre, Radio und niederländischem TV (OmU-Filme) aktuell. Und plane das Arbeitsleben als Konstrukteurin zu verbringen.

Doch wie sagte Prof. Dr. Werner Kirsch:

Planung heißt den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

Zunächst sieht alles gut aus. Ich konstruiere im Anlagenbau fröhlich vor mich hin und denke an nichts Böses.

Bis mein Chef eines Tages ein Problem hat:
Mitten im Aufbau eine Anlage im englischsprachigen Raum geht die Sprachexpertin der Firma in Mutterschaftsurlaub. Wer schreibt jetzt die Anleitung zur Anlage?!

Er löst das Problem schnell:
„Frau Wanke, Sie können doch Englisch. Machen Sie das mal.“

Die Sprache hat mich wieder eingeholt! Ich schreibe die Anleitung. Der Text geht an den Kunden. Wie ich auf Nachfrage erfahre gab der Kunde die Rückmeldung „Endlich mal eine Anleitung, die wir verstehen.“ Als nächstes braucht eine neue vom Unternehmen selbst entwickelte entwickelte Anlage eine Betriebsanleitung. Also lege ich los — und merke beim Schreiben: ich habe meine Nische gefunden und die zwei streitenden Seelen versöhnt. Technische Sachverhalte in Deutsch und Englisch zu beschreiben fordert meine Technikbegeisterung genauso wie die Vorliebe für Sprache.

Als der Arbeitsvertrag endet sieht der Arbeitsmarkt für Ingenieure nicht gut aus. Da fällt mir eine Stellenanzeige in englischer Sprache auf. So wird mein nächster Arbeitgeber ein Software-Unternehmen, das einen Technischen Redakteur/Übersetzer sucht. Hier schreibe ich Installations- und Benutzerhandbücher für den US-Markt.

Wir müssen bereit sein uns von dem Leben lösen, das wir geplant haben, damit wir das Leben finden, das auf uns wartet.

(Joseph Campbell)

Der Arbeitsvertrag für die neuen Stelle ist befristet. Für die Zeit danach muss ich weiter planen und suchen. Also beginne ich nebenberuflich die Ausbildung zum staatlich geprüften Übersetzer für die englische Sprache. Eine gute Idee, denn nach einmaliger Vertragsverlängerung läuft die Anstellung aus und ich wage den Sprung in die Selbständigkeit.

Das ist jetzt lange her, aber ich freue mich immer noch, dass dieses Leben gewartet hat bis die Zufälle mich zu ihm brachten.